Eine der wichtigsten und lohnenden Aktivitäten im Rahmen der Vorurteilsprävention sind sogenannte Kontaktprogramme. Darunter sind Maßnahmen zu verstehen, deren gemeinsames Merkmal es ist, dass sich mindestens zwei Mitglieder unterschiedlicher sozialer Gruppen persönlich begegnen und in Interaktion treten.

Dieses Vorgehen trifft für eine Reihe von Interventionen oder pädagogischen Settings zu, etwa im Rahmen inklusiven Unterrichts, bei Sport‐, Freizeit‐  und Kulturaktivitäten, Schüleraustausch etc. Wissenschaftlich sind derartige Kontaktsituationen sehr gut untersucht (siehe Abschnitt 4). Daher ist auch bekannt, unter welchen Bedingungen solche Kontakte optimal stattfinden sollten:

  • Erstens müssen sich die unterschiedlichen Gruppenmitglieder auf Augenhöhe begegnen. Kontakte sollten somit keinen Charity‐Charakter aufweisen, bei denen ganz offensichtlich eine Gruppe und deren Mitglieder einen höheren sozialen Status ein‐ nehmen.

  • Zweitens ist es wichtig, dass ein gemeinsames Ziel verfolgt wird und keine Konkurrenzsituation entsteht. Fußballspielen in gemischten Gruppen ist also förderlich, zwei unterschiedliche Gruppen im Spiel gegeneinander dagegen eine ungünstige Kontaktsituation.

  • Drittens sollte der Kontakt durch Autoritäten vermittelt werden (Lehrer, Erzieher u.ä.), um möglichst günstige Effekte zu erzielen.

 

Soziale Kontakte haben sich unter diesen Bedingungen bestens bewährt und sind besonders empfehlens-wert. Das gilt für alle Altersgruppen und alle sozialen Kontexte. Freilich müssen Kontaktsituationen und –programme altersangemessen geplant und auf die Zielgruppen abgestimmt sein. Sie haben aber das Potential im besten Fall zu intergruppalen Freund‐ schaften zu führen, also Freundschaften zwischen Mitgliedern unterschiedlicher sozialer Gruppen (etwa ein deutscher Jugendlicher mit einem Flüchtlingsjugendlichen), was wirksam vor Ethnozentrismus und Ungleichwertigkeitsvorstellungen und damit vor rechts‐ extremistischen Einstellungen und Handlungen schützt.

Oder anders formuliert: Vielfältige soziale Erfahrungen mit möglichst unterschiedlichen Menschen schützen vor Abwertung, Diskriminierung und Rechtsextremismus. Kontakte und Kontaktprogramme bergen allerdings das Risiko negativer Erfahrungen, insbesondere, wenn die oben genannten Bedingungen nicht gegeben sind, zum Beispiel der Kontakt als Konkurrenz oder als Bedrohung erlebt wird. In solchen Fällen sollten die Kontaktsituation entweder völlig umgestaltet oder beendet werden.  


Text aus: „Grundlagen einer entwicklungsorientierten Prävention des Rechtsextremismus. Gutachten im Rahmen des Wissenschafts-Praxis-Dialogs zwischen dem Landespräventionsrat Niedersachsen und der Friedrich-Schiller-Universität Jena“, Kapitel 5.5. „Kontaktmaßnahmen", S. 58ff, von Prof. Andreas Beelmann